Substratschäden in Glas durch Laser

Substratschäden in Glas durch Laser

Dies ist der Abschnitt 14.2 des Leitfadens für Laseroptiken.

Die Literatur zu laserinduzierten Zerstörungsschwellen (LIDT), auch die bisher von Edmund Optics® veröffentlichte, konzentrierte sich ausschließlich auf Fragen im Zusammenhang mit Oberflächenschäden (Abbildung 1). Dieser Fokus war insofern gerechtfertigt, als in der Vergangenheit die LIDT optischer Komponenten durch die dielektrische Beschichtung und die Oberflächenqualität bestimmt wurde.1 Mit der jüngsten Entwicklung nanostrukturierter Antireflexionsoberflächen sind dielektrische Beschichtungen jedoch nicht immer erforderlich. Bei diesen neuen optischen Elementen entwickelt sich die LIDT nun zu einer Zerstörschwelle des Glassubstrats (en: Bulk). Da es keine Oberflächenbeschichtungen, Verunreinigungen und Defekte gibt, wird die Oberfläche durch denselben Mechanismus beschädigt wie das Glassubstrat.2 Daher ist es wichtig, die Ursachen für die Substratschäden bei optischem Glas zu kennen, um besser zu verstehen, warum die LIDT bei Optiken mit nanostrukturierten Antireflexionsoberflächen so viel höher ist.

Abbildung 1: Laserinduzierte Oberflächenbeschä-digung einer Laseroptik mit einer herkömmlichen Dünnschicht-Antireflexionsbeschichtung. Unbeschichtete Optiken, z. B. solche mit nano-strukturierten Antireflexionsoberflächen, haben einen höheren LIDT-Wert, der nahezu dem des Substratmaterials entspricht.

Ursachen für Substratschäden

Die Bulk-LIDT ist nicht nur proportional zur Spitzenleistung des Lasers, sondern skaliert auch mit der Wellenlänge, dem Strahldurchmesser und vor allem mit der Pulsdauer.1 Um ein intuitives Verständnis dafür zu bekommen, wie und warum diese Parameter so wichtig sind, braucht man nur die Funktion der Absorptionswahrscheinlichkeitsdichte zu betrachten:3

(1)$$ W_i = \phi \, \sigma \! \left( \nu \right) $$

In dieser Gleichung steht Wi für die Wahrscheinlichkeit, dass ein Photon absorbiert wird und ein Elektron im Leitungsband erzeugt, $ \small{\phi} $ ist die mittlere Photonenflussdichte, und $ \small{\sigma} $ ist der Übergangsquerschnitt, der wiederum eine Funktion der Laserfrequenz $ \small{\nu} $ ist. Es sei darauf hingewiesen, dass der Übergangsquerschnitt, der direkt proportional zum Absorptionskoeffizienten ist, bei den meisten Gläsern im gesamten optischen Spektrum zwar extrem klein, aber dennoch nicht Null ist. Wenn die Intensität des Lasers groß genug ist, kann es daher zu einer erheblichen Absorption kommen, die zu einer lokalen Erwärmung führt. Dies gilt insbesondere für optische Gläser, die Einschlüsse wie Platin enthalten, das sich während des Produktionsprozesses ablagern kann.4

Ein optischer Durchschlag (Substratschaden) tritt auf, wenn eine ausreichend große Anzahl von Elektronen vom Valenzband zum Leitungsband angeregt wird, so dass die Dichte der freien Elektronen im Material groß genug ist, um eine nichtlineare Absorption auszulösen, die eine Lawinenionisation hervorruft.2 Die Kombination aus Multiphotonen-Absorption und Stoßionisation während der Lawinenionisation vertieft die Wellenlängenabhängigkeit der LIDT, da die kritische Dichte der freien Elektronen proportional zum Quadrat der Laserfrequenz ist, und zwar gemäß folgender Beziehung:5

(2)$$ n = \frac{4 \pi ^2 \varepsilon m_c}{e^2} \nu^2 $$

In dieser Beziehung ist $ \small{n} $ die kritische freie Elektronendichte, $ \small{\varepsilon} $ die Dielektrizitätskonstante, $ \small{m_c} $ die reduzierte Masse eines Elektrons im Leitungsband und $ \small{e} $ die Ladung eines Elektrons.

Während bei gütegeschalteten Lasern der thermische Durchschlag aufgrund von Lawinenionisation die Hauptursache für den optischen Durchschlag ist, ist dies nicht bei allen gepulsten Lasern der Fall. Bei modengekoppelten Lasern mit Pulsdauern von weniger als etwa 20 ps dominiert ein anderes physikalisches Phänomen. Pulse von Ultrakurzpulslasern sind so kurz, dass das Material nicht genügend Zeit hat, sich durch lokale Absorption zu erwärmen. Stattdessen entsteht der optische Schaden durch einen Prozess, der als Coulomb-Explosion bekannt ist. Eine Coulomb-Explosion entsteht durch den Aufbau einer elektrostatischen Kraft, die stark genug ist, um die molekularen Bindungen aufzubrechen und das Gitter durch das extrem hohe elektrische Feld innerhalb der Pulse von Ultrakurzpulslasern zu zerbrechen.6

LIDT-Skalierung

Pulsdauer

Als allgemeine Faustregel gilt, dass die LIDT aufgrund von Lawinenionisation ungefähr proportional zu $\tau ^{\small{1/2}}_p $ ist, wobei $\tau ^{\small{1/2}}_p $ die Pulsdauer ist. Das liegt daran, dass der Multiphotonen-Absorptionsprozess proportional zum Quadrat der Intensität und damit zur Quadratwurzel der Pulsdauer ist.1 Sobald Coulomb-Explosionen zum vorherrschenden Ausfallmechanismus werden, ist die LIDT nicht mehr proportional zu $\tau ^{\small{1/2}}_p $. In solchen Fällen nimmt die LIDT mit der Pulsdauer weiter ab, allerdings mit einer geringeren Rate.

Wellenlänge

Die LIDT nimmt auch in Abhängigkeit von der Wellenlänge ab, allerdings nicht in direkter Proportionalität. Stattdessen ergibt sich die LIDT aus einer Faltung der mittleren Photonenflussdichte, des Übergangsquerschnitts und der kritischen freien Elektronendichte, die alle wellenlängenabhängig sind. Zum Beispiel beträgt die LIDT für Kaliumdihydrogenphosphat (KDP) 24 $ \small{\tfrac{\text{J}}{\text{cm}^2}} $ bei 1064 nm und einer Pulsdauer von 3 ns; bei der ersten Harmonischen (532 nm) fällt die LIDT auf 20 $ \small{\tfrac{\text{J}}{\text{cm}^2}} $, und bei der dritten Harmonischen (355 nm) beträgt die LIDT 11 $ \small{\tfrac{\text{J}}{\text{cm}^2}} $, und bei der vierten Harmonischen (266 nm) beträgt die LIDT 3 $ \small{\tfrac{\text{J}}{\text{cm}^2}} $.7 Daraus ergeben sich Skalierungsfaktoren von 0,83 von 1064 nm bis 532 nm, 0,46 von 1064 nm bis 355 nm und 0,13 von 1064 nm bis 266 nm, was die Schwierigkeit verdeutlicht, einen einzigen Skalierungsfaktor für die Wellenlängenabhängigkeit zu bestimmen. Die Wellenlängenskalierung der LIDT von KDP ist vergleichbar mit anderen optischen Materialien, wie Bulk- und AR-beschichtetem Quarzglas, das nachweislich einen Skalierungsfaktor zwischen 0,42 und 0,56 zwischen 1064 nm und 355 nm aufweist.1

Strahldurchmesser

Die Skalierungsbeziehung zwischen Strahldurchmesser und LIDT ist sogar noch schwieriger vorherzusagen. Dies liegt daran, dass ein kleinerer Strahldurchmesser, anders als man annehmen könnte, nicht zu einer niedrigeren LIDT führt. Hierfür gibt es zwei Hauptgründe. Erstens wird die LIDT durch die Fluenz angegeben, die in Einheiten von $ \small{\tfrac{\text{J}}{\text{cm}^2}} $ angegeben wird; daher ist der Strahldurchmesser bereits in dem Wert enthalten. In den meisten Fällen führt ein kleinerer Strahldurchmesser zu einer höheren LIDT, da der Strahl mit einer geringeren Anzahl von Einschlüssen im Strahlengang interagiert. Wir werden hier nicht im Detail auf diese beiden Effekte eingehen, aber es ist wichtig zu wissen, dass die Bestimmung der tatsächlichen Punktgröße im Material ziemlich schwierig sein kann, da die Gaußstrahleigenschaften zusammen mit nichtlinearen Effekten wie der Selbstfokussierung berücksichtigt werden müssen.5 Weitere Informationen finden Sie in unserem Anwendungshinweis Bedeutung des Strahldurchmessers für die Laserzerstörschwelle.

Anzahl der Schüsse

Die Bulk-LIDT kann von der Anzahl der auf das Glas auftreffenden Schüsse abhängig sein. Der Grund dafür ist, dass einige Gläser, wie BK7, eine ausreichend lange Zerfallszeit vom Leitungsband zum Valenzband haben, so dass es zu einem Puls-zu-Puls-Aufbau von Elektronen kommt. Dies kann experimentell beobachtet werden, indem man den Punkt der Substratschädigung betrachtet, der während des Laserpulses auftritt.5 Allerdings weisen nicht alle Materialien diese Eigenschaft auf. Bei Quarzglas beispielsweise scheint es keine Korrelation zwischen der Anzahl der Schüsse und dem Schwellenwert für Substratschäden zu geben.8 Es sei darauf hingewiesen, dass Experimente an den Sandia National Labs gezeigt haben, dass die Bulk-LIDT für BK7 bei einem einzigen Schuss 4.125 $ \small{\tfrac{\text{J}}{\text{cm}^2}} beträgt $, aber nach nur 31 Pulsen fällt BK7 auf 3.289 $ \small{\tfrac{\text{J}}{\text{cm}^2}} $. Im Vergleich dazu bleibt Quarzglas konstant bei 3.800 $ \small{\tfrac{\text{J}}{\text{cm}^2}} $, unabhängig von der Anzahl der Schüsse.5, 8 Beide Tests wurden mit einem 1064-nm-Laser mit einer Pulsdauer von 8 ns und einem Punktdurchmesser von 8-16 μm im Fokus durchgeführt, was einen recht guten Vergleich zwischen den beiden Materialien ermöglicht.

Unser Skalierungsrechner für laserinduzierte Zerstörschwellen skaliert annähernd einen LIDT-Wert von einer Wellenlänge, Pulsdauer und einem Strahldurchmesser auf einen neuen Satz von Anwendungsparametern.

Bulk-LIDT von häufig verwendeten Glastypen

In einer Pressemitteilung aus dem Jahr 2013 veröffentlichte SCHOTT eine recht umfassende Analyse der Bulk-Zerstörschwelle gängiger optischer Gläser.9 Bei diesem Experiment wurden zwei verschiedene 1064-nm-Laser verwendet, einer mit einer Pulsdauer von 12 ns und der andere mit einer Pulsdauer von 74 ps. In jedem Fall wurde die LIDT sowohl für die Grundwelle als auch für die zweite Harmonische angegeben, so dass sich für jedes Glas vier verschiedene LIDT-Werte ergeben. Dieses Experiment wurde mit einer viel größeren Punktgröße im Fokus (33-41 μm) durchgeführt als die im vorherigen Abschnitt vorgestellten Daten, was zu einer etwas niedrigeren LIDT führte. Außerdem wurden die Daten von SCHOTT mit Suprasil CG Quarzglas gemessen, während die früheren Daten mit Corning 7940 Quarzglas erhoben wurden. Die nachstehende Tabelle zeigt die von SCHOTT berichteten Endergebnisse für die Bulk-LIDT der einzelnen Glastypen bei mehreren Schüssen (>1.800 Pulse).9, 10 Die in Tabelle 1 angegebenen Schwellenwerte für Substratschäden können in der Praxis aufgrund einer Vielzahl von Faktoren variieren, z. B. aufgrund von Abweichungen in der Glaschemie, der begrenzten Dicke optischer Komponenten usw. Optiken können auch aufgrund von Oberflächeneffekten beschädigt erscheinen, selbst wenn keine laserinduzierte Substratschädigung vorliegt. Bitte setzen Sie sich mit uns in Verbindung, wenn Sie sich über den LIDT-Wert einer bestimmten Optik nicht sicher sind.

   LIDT $ \left( \small{\tfrac{\text{J}}{\text{cm}^2}} \right) $
 Glastyp  1064 nm bei 12 ns  532 nm bei 10 ns  1064 nm bei 74 ps  532 nm bei 74 ps
 N-BK7  2017  74,4  31,8  8,2
 N-FK5  1574  226  35,2  9,7
 F2  690  7,7  16,7  3,5
 N-LASF44  720  18,5  13,8  3,7
 N-LAF21  933  15,0  12,6  4,7
 SF6  185 Schäden an der Oberfläche  6,4 Schäden an der Oberfläche
 Quarzglas  1866  280  39,2  11
Tabelle 1: Vergleich der LIDT für gängige optische Glastypen, die in Hochleistungslaseranwendungen eingesetzt werden.9

Abschließende Erkenntnisse zum laserinduzierten Substratschaden

Nachdem wir nun ein solides Verständnis sowohl der zugrundeliegenden physikalischen Phänomene, die zu Substratschäden in optischen Materialien führen, als auch der Vielzahl der beteiligten Variablen und der Skalierungsbeziehungen entwickelt haben, können wir die in Tabelle 1 dargestellten Ergebnisse besser verstehen. Die Daten zeigen deutlich, dass die LIDT erwartungsgemäß mit abnehmender Wellenlänge und Pulsdauer drastisch abnimmt. Außerdem ist in den meisten Fällen (außer für SF6 bei 532 nm) die LIDT-Schwelle für das Volumen weit höher als die LIDT-Schwelle für die Oberfläche. Es zeigt sich auch, dass bei Hochleistungslaseranwendungen im Allgemeinen Krongläser den Flintgläsern vorzuziehen sind. Im Allgemeinen übertrifft Quarzglas beide Kategorien in einem breiten Spektrum von Laserparametern.

Der Unterschied zwischen Bulk- und Oberflächen-LIDT wird noch deutlicher, wenn man typische V-beschichtete Quarzglas-Laserfenster betrachtet. Hier liegt der Unterschied im Allgemeinen im zweistelligen $ \tfrac{\text{J}}{\text{cm}^2} $-Bereich. Außerdem hat sich gezeigt, dass bei Quarzglas mit einer gut polierten und unbeschichteten Oberfläche die Oberflächen-LIDT ungefähr der Bulk-LIDT entspricht.8 Folglich ist die LIDT von Quarzglas-Laseroptiken mit nanostrukturierten Antireflexionsoberflächen deutlich höher als die von herkömmlichen V-beschichteten Optiken.

Erfahren Sie mehr über laserinduzierte Schäden


 Literatur

[1] Koechner, W., 1999. Solid-state laser engineering (Vol. 1). Springer.
[2] Bloembergen, N., 1974. Laser-induced electric breakdown in solids. IEEE Journal of Quantum Electronics, 10(3), pp.375-386.
[3] Saleh, B.E. and Teich, M.C., 2019. Fundamentals of photonics. John Wiley & Sons.
[4] Bloembergen, N., 1970. Fundamentals of Damage in Laser Glass. National Materials Advisory Board Publication NMAB, 271.
[5] Kimmel, M., Do, B.T. and Smith, A.V., 2011, November. Deterministic single shot and multiple shot bulk laser damage thresholds of borosilicate glass at 1.064 micron. In Laser-Induced Damage in Optical Materials: 2011 (Vol. 8190, p. 81900Z). International Society for Optics and Photonics.
[6] Wang, D.N., Wang, Y. and Liao, C.R., 2015. Femtosecond laser micromachining on optical fiber. In Laser Surface Engineering (pp. 359-381). Woodhead Publishing.
[7] Rainer, F., Atherton, L.J. and De Yoreo, J.J., 1993, June. Laser damage to production-and research-grade KDP crystals. In 24th Annual Boulder Damage Symposium Proceedings--Laser-Induced Damage in Optical Materials: 1992 (Vol. 1848, pp. 46-58). International Society for Optics and Photonics.
[8] Smith, A.V. and Do, B.T., 2008. Bulk and surface laser damage of silica by picosecond and nanosecond pulses at 1064 nm. Applied optics, 47(26), pp.4812-4832.
[9] Schott AG. (2013) SCHOTT Identifies Alternative Glass Materials for High-Power Laser Applications [Press release]. 5 February. Nachzulesen unter: <https://www.us.schott.com/newsfiles/us/20130204193642_schott_laser-resistant_optics_final.pdf>.
[10] Jedamzik, R., Dietrich, V. and Rossmeier, T., 2012. Bulk Laser Damage Threshold of Optical Glasses. In Proceedings of DGaO (Vol. 113, p. B9). 

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