Die Vorteile der Telezentrie
Autoren: Gregory Hollows, Nicholas James
Dies ist der Abschnitt 4.1 des Leitfadens zur Bildverarbeitung.
Um die Leistung von Bildverarbeitungssystemen zu maximieren, ist es oft wichtig, wiederholbare und sehr genaue Messungen durchzuführen. Ein telezentrisches Objektiv ermöglicht hier die bestmögliche Genauigkeit. In diesem Abschnitt geht es um die Charakteristiken von telezentrischen Objektiven und wie sie die Systemleistung beeinflussen können.
Bildwinkel von 0°: Eliminierung des Parallaxenfehlers
Bei konventionellen Objektiven verändert sich der Bildwinkel mit dem Abstand zwischen Objektiv und Objekt. Nimmt der Abstand zu, verkleinert sich die Vergrößerung. Dies ist analog zur menschlichen Wahrnehmung und passt zu unserer Tiefenwahrnehmung. Die Bildwinkel erzeugen Parallaxen- oder Perspektivenfehler, die bei Messungen des Bildverarbeitungssystems aufgrund der Vergrößerungsänderung die Genauigkeit verringern, wenn das Objekt bewegt wird (auch wenn es nur im Rahmen der Tiefenschärfe ist). Telezentrische Objektive haben ein konstantes Bildfeld ohne Bildwinkel und eliminieren den Parallaxenfehler, der bei konventionellen Objektiven charakteristisch ist. Bei jeder Objektweite hat ein telezentrisches Objektiv das gleiche Bildfeld. In Abbildung 1 wird der Unterschied zwischen einem nicht telezentrischen und einem telezentrischen Objektiv dargestellt.
Das konstante Bildfeld von telezentrischen Objektiven bietet sowohl Vorteile als auch Herausforderungen für Messanwendungen. Der Hauptvorteil eines telezentrischen Objektivs ist die feste Vergrößerung unabhängig von der Entfernung. Abbildung 2 zeigt zwei verschiedene Objekte bei verschiedenen Arbeitsabständen, aufgenommen einmal mit einem Festbrennweitenobjektiv (nicht telezentrisch, linkes Bild) und einem telezentrischen Objektiv (rechtes Bild). Im Bild des telezentrischen Objektivs kann nicht bestimmt werden, welches Objekt näher am Objektiv ist. Beim Festbrennweitenobjektiv ist es dagegen offensichtlich, dass das kleinere Objekt weiter vom Objektiv entfernt ist.
Abbildung 2 zeigt deutlich, wie wichtig die Minimierung des Parallaxenfehlers ist. Bei vielen Inspektionsaufgaben muss eine Aufnahme von sich bewegenden Objekten erstellt werden, die sich selten an der perfekt gleichen Position befinden. Wenn der Arbeitsabstand für die Aufnahmen der Objekte nicht identisch ist, wird die Vermessung der Objekte aufgrund der Vergrößerungsänderung abweichen (im Abschnitt Auflösung erfahren Sie mehr über die Definition von Vergrößerung). Ein Bildverarbeitungssystem, das basierend auf dem Vergrößerungskalibrationsfehler verschiedene Ergebnisse liefert (was beim Einsatz von Festbrennweitenobjektiven unvermeidbar ist), ist eine unzuverlässige Lösung und kann nicht eingesetzt werden, wenn höchste Präzision erforderlich ist. Telezentrische Objektive verhindern Messfehler, die andernfalls durch Faktoren wie eine Schwingförderrinne oder ungenaue Objektplatzierungen auftreten würden.
Abbildung 1: Vergleich des Bildfelds eines konventionellen und eines telezentrischen Objektivs. Das konventionelle Objektiv hat ein Bildfeld mit Winkel, das telezentrische Objektiv ein Bildfeld ohne Winkel (0°).
Abbildung 2: Das Bildfeld mit Winkel beim Festbrennweitenobjektiv erzeugt auf dem Bild einen Parallaxenfehler und lässt die zwei Würfel in verschiedenen Größen erscheinen.
Telezentrische Objektive und Tiefenschärfe
Es ist ein häufiger Irrglaube, dass telezentrische Objektive eine größere Tiefenschärfe als konventionelle Objektive haben. Tiefenschärfe hängt hauptsächlich von der Wellenlänge und der Blendenzahl des Objektivs ab. Was hingegen stimmt, ist, dass telezentrische Objektive aufgrund der symmetrischen Unschärfe auf beiden Seiten des besten Fokus eine größere nutzbare Tiefenschärfe als konventionelle Objektive haben. Wird ein inspiziertes Objekt zum Objektiv hin- oder vom Objektiv weggeschoben, wird es dem Bildwinkel (oder dem Hauptstrahl) folgen. Bei einem nicht telezentrischen Objektiv wird, wenn das Objekt aus dem Fokus geschoben wird, eine asymmetrische Unschärfe erzeugt. Dies hängt mit der Vergrößerungsänderung beim Bildfeld mit Winkel zusammen. Bei telezentrischen Objektiven entsteht dagegen eine symmetrische Unschärfe, da es beim Bildfeld keinen Winkel gibt. In der Praxis bedeutet dies, dass Merkmale wie Kanten ihre Masseschwerpunktlage behalten und genaue Messungen auch dann durchgeführt werden können, wenn das Objekt nicht mehr im idealen Fokuspunkt liegt. Lediglich der Kontrast muss hoch genug sein, damit der Algorithmus des Bildverarbeitungssystems einwandfrei funktionieren kann.
Obwohl es widersprüchlich erscheint, kann Unschärfe in machen Anwendungen mit telezentrischen Objektiven gewinnbringend eingesetzt werden. Soll mit einem Bildverarbeitungssystem der Mittelpunkt eines Pins ermittelt werden, wie in Abbildung 3a gezeigt, ist der Übergang von Schwarz nach Weiß bei einem fokussierten Bild ziemlich scharf. In Abbildung 3b wird der gleiche Punkt leicht defokussiert gezeigt.
Bei einem Blick auf die Grauwerte des Bildes an der Kante des Pins, wie in Abbildung 4 gezeigt, ist der Anstieg der Werte beim leicht defokussierten Bild viel flacher, da die Kante des Pins auf mehr Pixeln abgebildet wird. Aufgrund der symmetrischen Unschärfe des telezentrischen Objektivs ist der Schwerpunkt nicht verschoben, die Aufnahme kann genutzt werden und die Menge an Sub-Pixel-Interpolation, die benötigt wird, verringert sich. Dies wiederum reduziert die Empfindlichkeit in Bezug auf Graulevelveränderungen durch Sensorrauschen und ermöglicht eine zuverlässigere Bestimmung des Pin-Mittelpunkts mit höherer Wiederholbarkeit.
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